I.  Die Vorgeschichte

Die gemeinsame Kläranlage der Gemeinden Walzbachtal und Weingarten, welche im Abwasserzweckverband „Am Walzbach“ ausgelagert ist, wurde 1975 in Betrieb genommen. Von Betriebsleiter Harald Schumacher über Jahrzehnte betreut und gepflegt, bescheinigte ihr das mit der regelmäßigen Überprüfung der maßgeblichen Parameter beauftragte Prüfbüro, Weber-Ingenieure Pforzheim, stets eine einwandfreie Reinigungsleistung. Die mittlerweile 50 Jahre alte Anlage arbeitet immer noch einwandfrei, stößt mittlerweile aber an die Grenzen der  gestiegenen gesetzlichen Anforderungen, vor allem was Medikamentenrückstände und Phosphor betrifft. Nun laufen in 2026 die Wasserrechte zum Betrieb der Kläranlage aus und müssen neu beantragt werden. Mit der Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen wird ein Umbau der Kläranlage und eine Ertüchtigung auf den aktuellen Stand der Technik verbunden sein.

 

Der Entwurf eines Zukunftskonzepts wurde beauftragt

Die Verbandsverwaltung unter dem Vorsitzenden Eric Bänziger, Bürgermeister von Weingarten, und dem stellvertretenden Vorsitzenden Timur Öczan, Bürgermeister von Walzbachtal, hat dem Ingenieurbüro „Weber-Ingenieure“  den Auftrag erteilt, ein Zukunftskonzept zu entwerfen, das eine gesicherte Abwasserentsorgung bis 2035 ermöglichen wird.

Das Ergebnis zeigte eine Umstellung von der bisherigen „aeroben“ Klärschlammbehandlung in zwei Belebungsbecken auf eine „anaerobe“ Behandlung, eine sogenannte „Faulung“ als die wirtschaftlichste und zukunftsfähigste Variante.

Diese Faulung hätte den Vorteil, dass ein Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung betrieben und zudem das entstehende Methangas zu Heizzwecken verwendet verwendet werden könnte. Komme dann noch Stromgewinnung aus einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Betriebsgebäudes hinzu, könne die Kläranlage ihre benötigten Energiemengen selbst liefern und wäre zum großen Teil autark.

Weitere Bedingungen an ein Zukunftskonzept waren eine Spurenstoffelimination, insbesondere zur Entfernung von Medikamentenrückständen, die Verschärfung von Phospahtablaufwerten und die Phosphorrückgewinnung, die ab 2029 für Kläranlagenbetreiber gesetzlich vorgeschrieben wird.

Gemeinsamer Beschluss beider Gemeinderäte

In einer gemeinsamen Gemeinderatssitzung am 28. März 2022 und in der darauf folgenden Verbandsversammlung des Abwasserverbandes am 7. April 2022 wurde dieses Konzept vorgestellt. Es fiel der einstimmige Beschluss, die notwendigen Ertüchtigungsmaßnahmen durchzuführen. In einem europaweiten Vergabeverfahren wurden die Planungsleistungen an die Weber-Ingenieure Pforzheim vergeben. Im Juli 2024 waren die Vorplanungen abgeschlossen.

II. Sitzung der Verbandsversammlung am 31. Juli in Weingarten

TOP 1: Verabschiedung und Verpflichtung

Zu Beginn der Sitzung wurden die neuen Mitglieder des Abwasserzweckverbandes Am Walzbach von Bürgermeister Eric Bänziger als Verbandsvorsitzendem verpflichtet.  Dem Gremium gehören nun an:

Aus Walzbachtal:  die Gemeinderäte Volker Trumpf (Stellv. Rainer Braun) beide CDU, Ernst Reichert (Stellvertreter Dr. Michael Kunz) beide Grüne und Ingo Neugart (Stellvertreter Mitglied der SPD-Fraktion).

Aus Weingarten:  GR Gerhard Fritscher (Stellv. Fritz Küntzle) beide CDU,  GR Hans-Martin Flinspach (Stellv. Bernd Wolf) beide WBB und GRin Sonja Güntner, GLW (Stellv. Wolfgang Wehowsky, SPD).

Aus dem Gremium verabschiedet wurden nach fünfjährger Zugehörigkeit Sonja Döbbelin aus Weingarten und nach 15jähriger Zugehörigkeit Martin Sulzer aus Walzbachtal.

TOP 2:  Vergabe der maschinentechnischen Ausstattung für das Havariebecken

Die Verbandsversammlung beschloss nach öffentlicher Ausschreibung und Submission einstimmig die Angebotsvergabe an den günstigsten Bieter, die Fa Kuhn aus Höpfingen, in Höhe von 190.975,91 € brutto. Das Angebot liegt um rund 3,55 Prozent unter dem Kostenanschlag.

TOP 3:  Vergabe der geotechnischen Hauptuntersuchung

Fir die Erstellung der Entwurfs- und Genehmigungsplanung ist Kenntnis der Baugrundverhältnisse notwendig, um die für die Maßnahmen zur Bauwerksgründung erforderlichen Verbauarbeiten und Wasserhaltungsmaßnahmen bedarfsgerecht planen zu können. Dazu hat das Ingenieurbüro GHJ bereits eine geotechnische Voruntersuchung erstellt. Die daraus gewonnen Erkenntnisse sind nun im Rahmen einer „geotechnischen Hauptuntersuchung“ zu konkretisieren und an den Planungsstand der Ertüchtigungsmaßnahme anzupassen. Das Ingenieurbüro GHJ hat dafür ein Angebot vorgelegt in Höhe von 40.663,46 €. Da der Verbandsversammlung kein weiteres Angebot vorlag und die Abgabefrist der Unterlagen zur Einreichung eines Förderantrags bereits bis zum 01.10.2024 vorliegen müssen, hat das Gremium einstimmig beschlossen, das IB GHJ mit der geotechnischen Hauptuntersuchung zu beauftragen.

 

 

TOP 4:   Ertüchtigung der Kläranlage - Vorstellung der Planung

Dr. Julia Hiller und Philipp Gack von den Weber-Ingenieuren haben das gesamte Bauvorhaben, das sich in sechs Bauabschnitten vollziehen soll, der Verbandsversammlung vorgestellt. Der Vorstellung ging eine Besichtigung der Kläranlage voraus, einerseits um das Vorhaben zu veranschaulichen, andererseits als gemeisnchaftlicher Auftakt für die neu gewählten Mitglieder. Der langjährige Betriebsleiter Harald Schumacher gab eine Führung durch den Bestand, Dr. Julia Hiller zeigte anhand der Planskizzen die einzelnen Vorhaben, die danach im Rathaus Weingarten noch im Einzelnen erläutert wurden.

Bauabschnitt 1

Das ankommende Abwasser wird über das Schneckenpumpwerk angehoben, durchläuft das Rechengebäude und erreicht  den bestehenden Sand- und Fettfang. Letzterer wird angepasst.

Der erste Baukomplex ist eine bisher noch nicht bestehede konventionelle Vorklärung. Dieses Vorklärbecken wird neu gebaut. Die dazugehörigen Primärschlammpumpen werden eingehaust, um den Lärmpegel zu reduzieren. Das Ziel ist, Schlamm und Wasser zu trennen.  Das war in der Bestandsanlage auch schon geschehen, geht jetzt aber weiter und gründlicher. Der Schlamm setzt sich am Boden des Vorklärbeckens ab und gelangt von dort in die Faulung.

Der zweite Komplex ist die Faulung. Das Herz der Faulung ist der Faulbehälter. In dessen Inneren befindet sich ein Rührwerk, das den Schlamm in Bewegung hält. Bei konstanten 38° entsteht Gas, das über ein Blockheizkraftwerk in Wärme verwandelt werden kann.

Der dritte Komplex ist das Nachklärbecken. Waren bisher in den runden Kombibecken Hauptklärung durch Verarbeitung mittels Bakterien und Nachklärung in einem inneren und äußeren Ring untergebracht, so sind Vorklärung und Nachklärung jetzt zwei unterschiedliche Bereiche.  Im Nachklärbecken wird das vorgereinigte Wasser über zwei Reinigungsstraßen geführt und am Ende durch Tuchfilter restlos von allen Rückständen befreit.  Das Ganze benötigt weniger Energie und weniger Kosten als das bisherige System.

Bauabschnitt 2 – 4

Bauabschnitt 2 betrifft Kombibecken 2.  Das alte Kombibecken 2 wird als Provisorium zu einem reinen Belebungsbecken umgebaut. Solange wird das Kombibecken 1 weiterbetrieben.   In Bauabschnitt 3 wird Kombibecken 1 rückgebaut, ebenso die Schlammvorlage und ein Belebungsbecken neu errichtet. In Bauabschnitt 4 wird das Betriebsgebäude im Bestand saniert, aufgestockt, bietet Platz für 3 – 5 Mitarbeitende und bekommt ein Flachdach mit einer Photovoltaikanlage.

Der Zeitplan

Im 1. Quartal 2026 soll mit Bauabschnitt 1 begonnen werden, während die Anlage noch im Normalbetrieb läuft.  Im 4. Quartal 2027 (Bauabschnitt 2) wird der Betrieb auf einstraßigen Betrieb im Kombibecken 1 umgestellt. Im 3. Quartal 2028 wird das Kombibecken 2 zum Provisorium (Bauabschnitt 3) umgebaut  und im  2. Quartal 2029 soll der Betrieb mit der Ertüchtigung  normal wieder aufgenommen werden einschließlich des Betriebsgebäudes (Bauabschnitt 4).  Die Fertigstellung ist auf Ende 2029 vorgesehen.

Die Kosten

Die Weber-Ingenieure haben die Gesamtkosten auf rund 23,5 Mio Euro brutto veranschlagt.  Neben den reinen Baukosten seien Baunebenkosten wie ein Baugrundgutachten,  eine Schadstoffuntersuchung, ein Artenschutzgutachten,  ein Brandschutzgutachten und die dynamische Marktentwicklung mit berücksichtigt.

 

Fragen der Gemeinderäte und -rätinnen

Gerhard Fritscher (CDU) wollte wissen, ob die anaerobe Verarbeitung Vorteile bezüglich Geruchsbelästigung für den Ortsteil Waldbrücke bringe. ?

Dr. Michael Kunz (Grüne) fragte, ob es Emissionen gäbe und ob die Leistung des Blockheizkraftwerks für eine. Nahwärmeversorgung der Waldbrücke ausreichend sei. Nein, ein neues Nahwärmenetz zu errichten, lohne sich nicht.

Silke Meyer (SPD) fragte nach der voraussichtlichen Kostenentwicklung und ob unvorhergesehene Kosten eingeplant seien.  Die weltpolitische Lage mache eine genaue Schätzung der Kosten sehr schwierig. Unvorhergesehenes könne sich immer ereignen.

Der Beschluss

Die Verbandsversammlung beschloss einstimmig, die Vorplanung zur Ertüchtigung der Kläranlage Weingarten in der vorgestellten Form freizugeben ujnd in der Entwurfs- und Genehmigungsplanung detailliert ausarbeiten zu lassen. Diese bildet dann die Grundlage für die einzureichenden Förderanträge.