1.000 Jahre Jöhlingen & Wössingen

Berichtserie zu 1.000 Jahre Jöhlingen & Wössingen

Hier erscheint jeweils eine monatliche Berichtsserie mit Auszügen aus unserer Geschichte, aufgearbeitet durch den Heimat und Kulturverein e.V.

Vorbemerkung

Der Kraichgau zeichnet sich aus durch Reichtum an Wasser (Bäche, Wasserläufe, Quellen, Teiche), sehr fruchtbare Böden, mildes und freundliches Klima, viele Talniederungen, gut erreichbar. Die Besiedelung durch Menschen reicht daher mehrere tausend Jahre zurück. Vielfach lässt sich nicht genau sagen, wann und wo erste Siedlungen von Menschen errichtet wurden. Archäologische Forschungen ab dem 19. Jahrhundert haben aber ein sehr gutes Bild über die Entwicklung ergeben.

Wie für den Kraichgau, gilt gleiches auch für den Lauf des Walzbachs. Daher kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich hier vor tausenden von Jahren erste Bewohner niedergelassen haben. Durch archäologische Funde kann das im Einzelfall auch nachgewiesen werden. Natürlich entsprechen damalige Siedlungen nicht den heute bekannten Formen der Dörfer.

In einem Streifzug durch die Geschichte wollen wir verschiedene wichtige Epochen und Ereignisse hervorheben, um einen Überblick zu geben über die Entwicklungen beim „Leben am Walzbach“, eingebettet in die Entwicklung des Kraichgaus.

Weitergehend nachlesen können Sie einzelne Kapitel in der neuen Ortschronik.

Erster Teil: Grobe Zeittafel unserer Geschichte am Walzbach

  • Jung-Steinzeit (4. Jahrtausend v. Chr.)

Erste Spuren einer Besiedelung im Kraichgau sind nachweisbar.

Funde: Hüttenstellen beim Hohberg, Bandkeramiken.

  • Zeit der Kelten (ca. 450 v. Chr.)

Besiedelung Kraichgau erfolgt durch Netz von Gehöften mit Ackerbau und Viehzucht.

Totenhügel / Hühnengräber am Hohberg.

  • Zeit der Germanen (etwa 100 – 50 v. Chr.)

Heereszüge der Germanenstämme im Kraichgau.

Keine eigenen Siedlungsspuren im Walzbachtal.

  • Zeit der Römer (bis ca. 260 n. Chr.)

Bau von Heeresstraßen, Landwirtschaft und Handel im Kraichgau durch Römer. Walzbachtal wird ab etwa 70 n. Chr. römisch besiedelt.

Verschiedene Spuren der Besiedelung: Römerkeller (Wössingen), Villa Rustica (Jöhlingen), Römerweg, Römerbrunnen

  • Zeit der Alemannen (ca. 260 – 500 n. Chr.)

Siedlung / Einzelhöfe bestehen vermutlich in Talniederung des Walzbach.

  • Zeit der Franken (ab ca. 500 n. Chr.)

Zuwanderung von Siedlungsgruppen in den Kraichgau.

Einteilung in Gaue (auch Kraichgau) durch die Franken.

Jöhlingen entsteht als fränkische Siedlung, später Kron-/Königsgut („Fronhof“), mit erster Martins-Kirche (8. Jahrhundert).

Zehn Gräber im Gewann „Bäderäcker“ weisen auf Besiedelung in der Merowinger-Zeit (7. Jahrhundert).

  •  Zeit Domkapitel Speyer (1024 – 1803 n.Chr.)

1024: König Konrad II und seine Gemahlin Gisela schenken ihre Besitzungen und alle Rechte in Jöhlingen und (Unter-)Wössingen an das Domkapitel Speyer.

Jöhlingen wird Sitz eines Speyerer Amtmannes.

Wössingen ist getrennt in Ober- und Unterwössingen. Es bestehen zersplitterte Herrschaftsbereiche: Teilweise Domkapitel Speyer (Unterwössingen), Oberwössingen Vorherrschaft Markgrafschaft Baden. In beiden Orten gibt es eine Tief-/ oder Wasserburg, die vermutlich vom Ortsadel gebaut wurden.

Anfang 16. Jahrhundert entsteht große Unruhe in der Landbevölkerung im Kraichgau: Zusammen mit Bruchsal, Untergrombach (Anführer Joß Fritz) ist Jöhlingen (Anführer Bernhard Wendel) Zentrum der Bauernunruhen und des „Bundschuh-Aufstandes“ (1502). Der Aufstand wird niedergeschlagen. Ein weiterer Aufstand der Kraichgauer Bauern wird 1525 niedergeschlagen.

1577 wird der „Speyerer Hof“ als Wohn- / Wirtschaftshaus des Speyerer Amtmannes erbaut. 1788 In Jöhlingen wird das „Alte Rathaus“ erbaut, damals als Rat- und Schulhaus, mit Kelter.

1556 Markgraf Ernst erlässt Kirchenordnung und führt Reformation in seinem Herrschaftsbereich ein – Wössingen wird damit protestantisch.

1782 – 1784 Bau der katholischen Kirche „St. Martin“; 1817 – 1822 Bau der evangelischen „Weinbrenner-Kirche“.

  • Zeit Großherzogtum Baden (1803 – 1871)

1803 Ende der Herrschaft Domkapitel Speyer, Übernahme der Herrschaft durch Markgrafschaft Baden.

1816 Unter- und Oberwössingen werden zu einer Gemeinde vereint.

  • Deutsches Reich und Weimarer Republik (1871 – 1933)

1873 Freiwillige Feuerwehr Jöhlingen wird gegründet, 1874 folgt Freiwillige Feuerwehr in Wössingen.

1876 – 1879 Bau Kraichgaubahn Durlach – Bretten; dadurch wirtschaftlicher Aufschwung und Wandel in der Dorfstruktur.

Vereine werden gegründet, z. B. 1890 TSV Jöhlingen, 1896 TV Wössingen, 1904 Fussballverein Wössingen, 1909 Evangelischer Krankenpflegeverein Wössingen, 1911 Fußballverein Jöhlingen.

1897 Archäologische Grabungen fördern historische Siedlungsspuren zu Tagen, z.B. Villa Rustica (Jöhlingen, Gewann „Steinäcker“).

Aufbau einer zentralen Wasserversorgung wird begonnen, bestehende Brunnen dafür zugeschüttet (Jöhlingen ab 1897, Wössingen 1927).

1920/21 Badenwerk beginnt Aufbau der Elektrizität durch Freileitungen.

  • Zeit des Nationalsozialismus / Zweiter Weltkrieg (1933 – 1945)

März 1933: Bei den Reichstagswahlen erringt die NSDAP erstmals einen deutlichen Sieg. 09. November 1939: Anschlag auf die jüdische Synagoge in Jöhlingen. 22. Oktober 1940: Die letzten jüdischen Mitbürger werden nach Gurs (Südfrankreich) deportiert.

Ab 1933: Die Arbeit der Vereine wird verboten oder kommt zum Erliegen.

Mehrere hundert junge Männer sind im Kriegsdienst. Mehr als 30 Zivilisten kommen im Krieg ums Leben, etwa 300 sterben als Soldat, über 100 sind vermisst.

  • Nachkriegszeit (1945 – 1970)

1946/47: Einweisung von mehreren hundert Heimatvertriebenen und Flüchtlingen; größtes Problem ist die Beschaffung von Wohnraum. Ausweisung von ersten Gebieten zum Neubau von Wohnhäusern.

27.05.1947 Hochwasserkatastrophe für Jöhlingen und Wössingen.

1951 Neubau evangelische „Versöhnungskirche“, 1956 katholische Kirche „Maria Königin“. 1961/63 Neubau Siedlung Binsheim für landwirtschaftliche Aussiedlerhöfe.

Verdohlung des Walzbach: Wössingen ab 1956, Jöhlingen ab 1965; Neubau Ortskanalisation ab 1960, Bildung Abwasserzweckverband gemeinsam mit Weingarten 1966 und Neubau der Kläranlage 1974/75.

Neubau Schulhaus in Jöhlingen 1968/69 und Neubau Rathaus und Feuerwehrhaus in der Wössinger Straße.

  • Walzbachtal als Gemeinde (1971 – heute)

01.01.1971 Fusion von Jöhlingen und Wössingen zur Gemeinde Walzbachtal

 

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, Januar 2024

Jöhlingen und Wössingen im Mittelalter

Herrschaft der Franken und Entstehung des Kraichgaus

Etwa ab 500 nach Christus gewannen die Franken unter König Chlodwig die Herrschaft über das Gebiet rechts des Rheines. Durch die Taufe des Königs kam das Frankenreich zum Christentum. Chlodwig hatte viele der administrativen Gepflogenheiten der Römer übernommen. Das Land wurde in Bezirke eingeteilt („Gaue“), die direkter und effektiver verwaltet werden konnten. Diese Gaue wurden Grafen übergeben, die als Abgesandte des fränkischen Königs vor Ort in seinem Namen die Herrschaft ausübten und im Namen des Königs Recht sprachen. Die Einteilung der Gaue richtete sich zunächst nach geographischen Gegebenheiten, z.B. anhand der Bäche, Täler und angrenzender Gebiete. Das Land der Pfinz bildete den Pfinzgau, das Land des Kraichbaches bildete den Kraichgau („pago chreichgowe“). Dessen Gebiet wurde später deutlich erweitert, z.B. durch die Übernahme des Elsenzgaus. Im Kraichgau entwickelte sich ein Netz kleinerer Siedlungen, wie durch archäologische Ausgrabungen nachgewiesen ist (z.B. Gräber, Bandkeramiken).

Zur Person Konrad II.

Konrad wurde um das Jahr 990 n.Chr. in Speyer geboren; er war Sohn aus einer der führenden Adelsfamilien im Reich. Im Jahre 1016 heiratete er die bereits verwitwete Gisela von Schwaben, die reichen Eigenbesitz und eine glanzvolle Herkunft in die Ehe mitbrachte. Nach dem Tode des kinderlosen Königs Heinrich II. wurde Konrad am 04. September 1024 zum neuen König gewählt und am 08. September im Mainzer Dom zum König gekrönt. Gisela wurde am 21. September in Köln zur Königin gekrönt. Ab 1026 war Konrad auch König von Italien, ab 1033 König von Burgund. Am Ostersonntag 26. März 1027 wurden Konrad II. und Gisela in der Peterskirche zu Rom von Papst Johannes XIX. zu Kaiser und Kaiserin des Deutschen Reiches gekrönt.

Kaiser Konrad II. ließ im Jahre 1027 den Bau des Speyerer Domes beginnen. Als er im Jahre 1039 starb, wurde er in der Krypta des Domes beigesetzt, der damals noch unvollendet war– der Bau wurde erst im Jahre 1061 eingeweiht. (Quelle: Peter Schappert / Mario Colletto „Der Dom zu Speyer“, 2012)

Die erste urkundliche Erwähnung

Am 11. September 1024 schenkte Konrad II. seine rechtmäßigen Besitzungen in Jöhlingen und (Unter-)Wössingen dem Domkapitel zu Speyer. Direkt nach seiner Krönung brach der König zu einer Rundreise durch sein Reich auf. Sein erster Halt war in Ingelheim, wo er die Schenkungsurkunde ausstellte, die uns erstes schriftliches Zeugnis über Jöhlingen und Wössingen gibt. Konrad gibt nicht die ganzen Dörfer, sondern die dort gelegenen und ihm gehörenden Güter an das Speyerer Domkapitel zur Versorgung der am Altar in Speyer dienenden Brüder. Die Siedlungen muss es also schon früher gegeben haben, denn Konrad II. zählt genau auf, was er verschenkt. Dort ist die Rede von Feldern, Wiesen, Weiden, Weinbergen, Wäldern, Jagden, Gewässern und Fischteichen, Mühlen, aber auch mit den Leibeigenen (mit zwei Ausnahmen), Kirchen und Zehnt. Kein Graf oder Vizegraf sollte dort Macht ausüben, sondern allein die vom Domstift bestellten Vögte. Diese Aufzählung im Einzelnen gibt auch einen Hinweis auf die damals sehr zersplitterten Herrschaftsverhältnisse. Da er Kirchen erwähnt (Mehrzahl), muss es zumindest zwei gegeben haben. Eine davon war sicher die erste Martinskirche in Jöhlingen, deren Fundamente beim Bau der Schule Jöhlingen 1966 ausgegraben und auf die Zeit des 8. Jahrhunderts datiert wurden.

War die Schenkung zu diesem Zeitpunkt nur aus christlichem Glauben und Sorge um das Seelenheil, oder vielleicht auch Dankbarkeit für Unterstützung bei der Wahl zum König?

Die Schenkung wurde in späteren Jahren in mehreren königlichen Urkunden bestätigt

Die Namen im Wandel der Zeit

Die Schenkungsurkunde gibt uns auch frühe Namensformen von Jöhlingen und Wössingen zur Kenntnis. Jöhlingen wird erst Iohanningon, später im Text Iohanningan genannt. Änderungen des Vokals innerhalb des Textes sind nicht ungewöhnlich für diese Zeit. Die Namensendung -ingen deutet auf eine fränkische Gründung, vermutlich aus der Zeit, in der man den ersten Bau der Martinskirche vermutet. Wössingen wird erwähnt als Wesingcheimero marca, also die Gemarkung Wössingen. In späteren Urkunden finden sich die Namensvarianten Wesingun, Wesingen, Weszingen.

Der Kraichgau – ein Flickenteppich von Kleinherrschaften

Im Mittelalter war der Kraichgau das Land vieler Herren, ein regelrechter Flickenteppich von Herrschaftsverhältnissen. Während manche von ihnen zusammenhängende Besitzungen hatten, die sich über Ackerland und Wälder hinzogen, waren andere sehr klein. Manches Besitztum bestand nur aus einem Hof und den dazugehörenden Leibeigenen. Teilweise wurde im Laufe der Zeit versucht, durch Kauf oder Tausch größere zusammenhängende Gebiete zu erreichen.

Ober- und Unterwössingen waren zwei Orte, die zunächst nicht zusammengehörten. In beiden Orten gab es eine Kirche und eine Tief- oder Wasserburg, die vermutlich vom Ortsadel gebaut wurden. Auch in diesen beiden Orten gab es im Laufe der Jahrhunderte unterschiedlichste Herren. Ortsadel in Jöhlingen und Wössingen ist ab dem 12. Jahrhundert nachgewiesen, verlor ab dem 15. Jahrhundert seine Bedeutung.

Neben dem Domkapitel Speyer und dem Markgrafen von Baden (Wössingen) hatten auch verschiedene Klöster durch Stiftungen oder Schenkungen Rechtsansprüche auf Güter im Ort (z.B. Odenheim, Hirsau, Herrenalb). Insbesondere der Markgraf konnte bis zum 15. Jahrhundert seinen Herrschaftsbereich in Wössingen erweitern und ausbauen.

Die Herrschaft des Domkapitels zu Speyer

Jöhlingen wurde als Verwaltungssitz ausgebaut, wurde durch einen Amtmann verwaltet. Sitz war im „Fronhof“, umgeben mit Graben, Mauern und Zugbrücke (Standort heutige Schule und Schulhof). Die Gebäude wurden beim Neubau der Schule 1966 abgebrochen. Hier stand auch die erste Martinskirche.

Der „Speyerer Hof“ wurde 1577 gebaut, damals als fränkische 3-Seit-Hofanlage als Wohn- und Wirtschaftshaus des speyerischen Amtmannes. Der Hof war allerdings kein Verwaltungsgebäude; erst nach der Sanierung wurde im November 1986 die „Verwaltungsstelle“ der Gemeinde Walzbachtal in dieses Gebäude verlegt.

Die Herrschaft Speyer endete 1803: mit dem Reichsdeputationshauptschluß wurden die kirchlichen Herrschaftsgebiete aufgelöst, damit auch das Hochstift Speyer. Jöhlingen und Wössingen kamen jetzt einheitlich unter die Herrschaft des Markgrafen von Baden und wurden zunächst dem Amt Bretten zugeordnet, danach dem Amt Stein, schließlich dem Amt Durlach.

 

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, Februar 2024

Quelle: Sara Breitung / Dr. Axel Lange / Karl-Heinz Glaser in „Ortschchronik Walzbachtal“ (2023)

Landwirtschaft und Dorfgemeinschaft vom Spätmittelalter bis zum 20. Jahrhundert

Ausgangslage im Kraichgau

Die Gemarkungen von Jöhlingen und Wössingen liegen am südwestlichen Rand des Kraichgauer Hügellandes, in einer Talaue, die vom Walzbach im Laufe von Jahrtausenden geschaffenen wurde. Der Kraichgau ist ein seit der Steinzeit besiedelter Raum, seit mehr als 5.000 Jahren bewohnt, bebaut und als Lebensraum genutzt. Dabei mussten Einwohnerzahl und verfügbare landwirtschaftliche Fläche immer im Einklang stehen. Jede Gemarkung musste früher die auf ihr lebende Bevölkerung selbst versorgen können. Erst mit dem Umbruch von der dörflichen Agrargesellschaft zur stadtähnlichen und später globalisierten Industriegesellschaft entkoppelte sich diese Abhängigkeit. So wurden während des 20. Jahrhunderts auch die beiden bis dahin sehr landwirtschaftlich geprägten Dörfer Jöhlingen und Wössingen zu Wohn- und Pendlergemeinden im Einzugsbereich der Großstadt Karlsruhe.

Der Kraichgau als fruchtbare Lebensgrundlage

Der fruchtbare Lößboden, von dem die Gemarkungen im heutigen Naturraum „Brettener Hügelland“ zu weiten Teilen bedeckt sind, das durch Bäche, Quellen und Wasserläufe vorhandene Wasser und das gemäßigte Klima ermöglichten ergiebige Jahresernten. Damit bot sich die Grundlage für einen schmalen Wohlstand, der sich von den Bauern erwirtschaften ließ. Typisch für diesen Boden und unsere Landschaft waren über Jahrhunderte die zahlreichen Hohlwege mit teils steilen und hohen Seitenwänden, die durch die Nutzung als Verkehrswege entstanden. Mehr als zehn davon fanden sich auf Gemarkung Wössingen (heute noch vorhanden: Hauweg-Hohle), mehr als zwei Dutzend auf Gemarkung Jöhlingen (heute noch vorhanden Sauweg-Hohle, Gondelsheimer Straße, B 293). Diese Hohlwege wurden ab den 1950er Jahren weitgehend verfüllt und eingeebnet.

Kleinbäuerliche Haushalte prägten die Lebenswelt

Wie andere typische Kraichgauer Dörfer, waren auch Jöhlingen und Wössingen bis ins 20. Jahrhundert ganz überwiegend die Lebenswelt kleinbäuerlicher Haushalte. Die Gemarkungen bestanden aus zerstückelten, in viele und teilweise winzige Parzellen aufgesplittertem Güterbesitz. Das hier übliche Erbrecht der Realteilung sah vor, bei Übergabe eines Hofes allen Grund und Boden in gleichgroßen und gleichwertigen Einzelgaben an die nächste Genration weiterzugeben. Wann immer bei einem Erbfall mehrere Nachkommen abzufinden waren, wurden die erworbenen Landstücke wieder und wieder geteilt – „viele Brüder, kleine Güter“ pflegte man zu sagen.

Hofgüter des Adels

Weitgehend unteilbar und relativ sicher vor Zerstückelung in Erbfällen waren die größeren Hofgüter, die sich seit jeher in adeliger Hand und damit im Eigentum von Grundherren befanden. Hier teilten sich mehrere Beständer die Felder und Wiesen bei den einzelnen Höfen, so in Jöhlingen zum Beispiel beim Hartmannshof, Wetzelhof, Herrenhof, Darmstädter Hof. In Wössingen umfassten fünf Gülthöfe des Markgrafen (von Durlach) Flächen von knapp zehn bis fast hundert Morgen, das herrschaftliche Schloßgut rund 250 Morgen Land. Aber so umfangreich die Güter auch gewesen sein mochten, ihre Grundstücke lagen ebenfalls verstreut über die Gemarkung.

Die „Dreifelderwirtschaft“

Den rechtlichen Rahmen des Kraichgauer Ackerbaus zwischen Mittelalter und ausgehendem 19. Jahrhundert bildete das vorherrschende Betriebssystem der „Dreifelderwirtschaft“. Charakteristisch war die Aufteilung des gesamten Pfluglandes einer Dorfmark in drei Großbereiche, als „Zelgen“ bezeichnet. Diese Zelgen bestanden aus jeweils etwa gleich großen oder gleich ertragreichen Anbauflächen für Getreide. Jede Zelge setzte sich zusammen aus einigen Dutzend sogenannter „Gewanne“, diese wiederum umfassten eine größere Zahl einzelner Ackerflächen.

Die Bewirtschaftung der drei Zelgen erfolgte gemeinschaftlich gemäß einem über Jahrhunderte hinweg permanent wiederkehrenden Muster, nach dem die Fruchtfolgen wechselten: im ersten Jahr wurden Winterhalmfrüchte angebaut (Weizen, Dinkel, Roggen), im zweiten Sommerhalmfrüchte (Hafer, Gerste), im dritten Jahr blieb der Boden ursprünglich für eine einjährige Ruhezeit als Brache liegen. Ein Abweichen einzelner Landwirte durfte es nicht geben.

Anbau von Getreide und Mühlen

In einer Agrargesellschaft, die den Großteil ihrer Nahrungsversorgung durch den Feldanbau von Getreide sicherstellte, kam den Mühlen als verarbeitendes Gewerbe eine immens wichtige Rolle zu. Entsprechend dieser großen Bedeutung bestanden entlang des Walzbachs vom Mittelalter an mehrere Mühlbetriebe. Schon 1241 werden in Jöhlingen die beiden Müller Ulrich und Dieter namentlich erwähnt, später gab es die „obere“ und die „untere“ Mühle (heutiger Bereich Jahnstraße / Mühlstraße / Holzhandel), sowie am Ortsausgang Richtung Weingarten die „Wiesenmühle“ (in Betrieb bis 1965, heute gleichnamiges Wohngebiet). Im Jahr 1452 ist erstmals die Rede von „der mule zu ober Weßingen“, von der Mühle in Unterwössingen erstmals 1699 (heutige Durlacher Allee, betrieben bis 1971). Durch den Strukturwandel in der Landwirtschaft und das landesweite „Mühlensterben“ in den 1960er und 1970er Jahren verloren diese Einrichtungen an Bedeutung und wurden schließlich aufgegeben.

Neuordnung des Bodens durch Flurbereinigungen

Bis nach dem Zweiten Weltkrieg bot sich auch bei uns das typische Bild südwestdeutschen Bauerntums: der bäuerliche Besitz war verstreut über alle Gewanne hinweg, vielfach kleine Grundstücke („Handtücher“), die nur mit erheblichem Aufwand zu erreichen und zu bewirtschaften waren. Um den zerstückelten Boden wieder zu größeren und zusammenhängende Nutzflächen zu vereinen, die auch mit modernen Maschinen (Traktoren, Mähdräscher) bearbeitet werden konnten, wurden Flurbereinigungsverfahren durchgeführt.

In Jöhlingen geschah dies 1953 bis 1975. Dabei wurden auch Flächen bereitgestellt für die Rebanlage „Hasensprung“ und die Obstanlage „Fraueneiche“; mit dem Neubau der Siedlung „Binsheim“ konnten mehrere Haupterwerbslandwirte aus dem Ort ausgesiedelt und ihnen größere Flächen für die Hofanlage und die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung gestellt werden.

In Wössingen wurde die Flurbereinigung 1973 im Zuge des Neubaus der B 293 Ortsumgehung begonnen und 2008 abgeschlossen. Eine Verlagerung landwirtschaftlicher Betriebe fand dabei aber nicht statt.

Den wirtschaftlichen Vorteilen für die Landwirtschaft standen bei diesen Verfahren teilweise Eingriffe in das vertraute Landschaftsbild und ökologische Strukturen gegenüber.

 

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, März 2024

Quelle: Thomas Adam, Karl-Heinz Glaser, Gerhard Ehrler in „Ortschchronik Walzbachtal“ (2023).

Von den ersten Zeugnissen bis zu den Römern

Das Auftauchen des „modernen Menschen“

Über die Lebensweise der frühen Menschen (Steinzeit) weiß man einiges, wenn auch ihre Kultur und ihr Alltag an vielen Stellen verborgen bleiben müssen, Das Wissen aus dieser Phase der Menschheitsgeschichte stammt allein aus Funden – beschreibende schriftliche Quellen gab es noch lange nicht. Es ist also nicht nachvollziehbar, wie diese Menschen dachten oder fühlten. Man weiß jedoch, dass im Vergleich zu den Neandertalern ihr Sinn für Kunst ausgeprägter war und sie wohl eine Art Religion ausübten. Auf der Schwäbischen Alb fand man aus verschiedenen Materialien hergestellte kleine Figuren von Tieren, Menschen und auch Mischwesen aus Tier und Mensch. Aufgrund der geologischen Umstände im Kraichgau sind aus dieser Zeit keine Funde in der näheren Umgebung bekannt. Erst in der Jungsteinzeit kann man Spuren unserer Vorfahren in der Region aufnehmen. Die Besiedelung des Kraichgaus kann seit etwa 5.000 Jahren angenommen werden.

Die Steinzeit – aus Jägern und Sammlern werden Siedler und Bauern

Der mitteleuropäische Mensch lebte halbnomadisch: Man zog den Tieren hinterher. Vermutlich hielt er auch bereits Tiere, jedoch wurden diese nicht gezüchtet, sondern dienten vielmehr der Vorratshaltung. War eine Gegend abgeerntet oder genug bejagt, so suchte man sich einen neuen Lagerplatz. Denkbar ist, dass Menschen dabei auf immer wieder dieselben Plätze zurückkehrten und mit den Jahreszeiten im Kreis zogen. Aus Funden in anderen Gegenden lässt sich schließen, dass die Lagerplätze zu verschiedenen Zeiten wiederholt genutzt wurden. Es dauerte mehrere tausend Jahre, bis die Sesshaftigkeit mit Ackerbau und Viehzucht als Kulturform in Mitteleuropa ankam. In welcher Form sich diese neue Lebensweise verbreitete, ist nicht ganz klar. Die Art der Behausung wandelte sich vom „Unterschlupf“ zu „Häusern“ aus Holz, Lehm und Stroh; diese hinterließen jedoch kaum dauerhafte Spuren. Die Siedlungsorte befanden sich im Kraichgau immer in unmittelbarer Nähe eines Wasserlaufes oder einer Quelle und in der Regel am Hang der Bach- und Flußtäler.

Um 1960 fand man im Gewann „Heßloch / Brunnenstube“ in Jöhlingen einige Spuren menschlichen Wirkens. Neben wenigen verzierten Scherben wurden auch Stücke von großen Vorratsgefäßen bandkeramischer Herkunft ausgegraben. Wahrscheinlich handelt es sich bei dieser Fundstelle um den Überrest einer jungsteinzeitlichen Siedlung. In Jöhlingen beim „Hohberg“ wurden um 1900 eine Grabhügelgruppe („Keltengräber“) gefunden; die Hügel waren bis zu 20 Meter im Durchmesser, aber nur noch einen Meter hoch. Eines dieser Hügelgräber datierte man in die mittlere Bronzezeit, das andere enthielt die Reste einer Bronzefibel und eines bronzenen Halsringes.

Die Römer – eine wichtige Epoche auch für Walzbachtal

Als Gaius Julius Cäsar in der Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus Gallien eroberte, etablierte er die Grenze des römischen Reiches am Rhein. Unter Kaiser Augustus (27 v. Chr. – 14 n. Chr.) war es erklärtes Ziel, den Einflussbereich Roms nach Osten und Norden auszudehnen. Unter Kaiser Trajan (um 100 n. Chr.) erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung. Die Römer haben früh begonnen, gut ausgebaute Straßen anzulegen, um die wichtigen Städte des Reiches zu verbinden. In der Nähe dieser strategisch wichtigen Straßen errichtete man Landgüter, sogenannte „Villae rusticae“. Diese Höfe dienten dazu, landwirtschaftliche Güter zu produzieren, um die Bevölkerung und die römischen Truppen zu versorgen. Zur Sicherung der Nordgrenze wurde der „Limes“ angelegt. Das Gebiet vom Rhein bis zum Limes – und damit auch unsere Gemarkungen – gehörte zum sogenannten „Dekumatsland“ (Agri decumates); heute kennt man hier etwa tausend Fundstellen ehemaliger römischer Landgüter.

Auf der Walzbachtaler Gemarkung gab es mehrere dieser Landgüter. Die erhaltenen Spuren sind jedoch oft nur schwer erkennbar, da sie tief im Boden verborgen sind. Der „Römerweg“ (Bruchsaler Straße – Fraueneiche – Hasensprung – Martinshof) könnte in diesem Wegesystem seinen Ursprung haben. Bei archäologischen Grabungen 1893 in den „Frühmessgärten“ in Wössingen wurden Reste einer Villa rustica von beeindruckender Größe gefunden (großer quadratischer Hof, mehrere Gebäude und Räume, farbiger Innenputz mit Malereien). In Jöhlingen (Gewann „Steinäcker“) wurde bei Grabungen 1897 das Fundament einer Villa rustica auf einem Areal von 100 x 200 m entdeckt, auf dem Scherben und Steine verteilt waren. Es gab eine bis zu 1,50 m hohen Mauer und Reste einer römischen Bodenheizung; diese Fundamentreste wurden genau beschrieben, sie sind heute mit Erde überdeckt. 1967 fand man bei Arbeiten für eine Wasserleitung in Wössingen (Gewann „Hinter der unteren Kirche und Frühmessgärten“) einen perfekt konservierten römischen Keller, der einzigartig ist in der ganzen Umgebung. Das Mauerwerk war komplett erhalten, die Sichtwände sorgfältig mit Sandstein gefertigt, die Fugen bemalt, in den Wänden gab es Nischen. Über diesen sensationellen Fund wurde landesweit in Presse und Rundfunk berichtet. Wegen der hohen Qualität und besonderen Bedeutung wurde dieser Keller unter Verantwortung des Denkmalamtes zerlegt, ins Landesmuseum nach Karlsruhe verbracht, dort wieder zusammengesetzt und ist heute ein Schmuckstück der provinzialrömischen Sammlung.

Im 3. Jahrhundert nach Christus zogen sich die Römer schrittweise vom Limes an den Rhein zurück. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass es keinen Sturm angreifender Germanen auf den Limes gab, sondern das Römische Reich durch strukturelle Schwierigkeiten und innenpolitische Auseinandersetzungen geschwächt war. Mit dem Abzug der Truppen verloren die Villae rusticae ihre Bedeutung. In das Vakuum, das Rom in der Region hinterließ, drückten die Alamannen. Die Funde auf Walzbachtaler Gemarkung deuten darauf hin, dass die Höfe ohne kriegerische Auseinandersetzungen verlassen wurden. Dauerhafte Spuren haben die Alamannen auf unserer Gemarkung nicht hinterlassen.

Das frühe Mittelalter und die Franken

Während das Römische Reich im Niedergang war, konnte der fränkische Heerführer Chlodwig I. seinen Einfluss ausbauen. Ausgehend vom heutigen Frankreich, erweiterte er ab etwa 500 n. Chr. das Gebiet seines Stammes immer weiter, auch nach Osten über den Rhein. Dabei trafen sie auf die dort siedelnden germanischen Stämme. Das fruchtbare Dekumatsland der Römer war weiterhin bewirtschaftet mit Acker- und Weinbau. Die alamannischen Siedler wurden nicht schnell verdrängt, vielmehr vermengten sich Franken mit Alamannen und konnten so das Land weiter bewirtschaften. Als die Franken als Herrscher östlich des Rheins auftraten, brachten sie das Christentum mit und prägten schnell unsere Kultur.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, April 2024

Quelle: Sara Breitung in „Ortschronik Walzbachtal“ (2023).

Von der Reichsgründung bis zur Weimarer Republik (1871 – 1923)

Kommunale Selbstverwaltung in Baden

Durch die Gemeindeordnung von 1831 wurde im Großherzogtum Baden die Kommunale Selbstverwaltung eingeführt. Die Wahl der Bürgermeister und Gemeinderäte sollte künftig durch die Gemeindeversammlung erfolgen. Das Bürgerrecht war an einen Vermögensnachweis gebunden und auf die männlichen Einwohner beschränkt. Die Badische Revolution von 1848/49 brachte ein Gesetz zur Verwaltungsreform hervor. Die Großherzoglichen Bezirksämter wurden 1863 als staatliche Verwaltungsinstanz gestärkt. Wössingen gehörte zum Bezirksamt Bretten, Jöhlingen war dem Bezirksamt Durlach zugeordnet.

Unter Großherzog Friedrich I. (regiert von 1856 bis 1907) entwickelte sich Baden zu einer Art konstitutionelle Monarchie. In den 1860er Jahren kam ein Reformwerk auf den Gebieten Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Schulwesen in Gang und Baden erwarb sich den Ruf eines liberalen Musterlandes. Die Wahlrechtsreform des Jahres 1904 brachte allgemeine, gleiche und direkte Wahlen für den Landtag – Baden war damit Vorreiter im Reich.

Deutsch-Französischer Krieg 1870 / 71

Das Großherzogtum schloss 1866 einen Allianzvertrag mit Preußen und der „Sturm nationaler Begeisterung“ mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges im Juli 1870 und den raschen Erfolgen führte mit breiter Zustimmung der süddeutschen Länder zur Gründung des Deutschen Reiches mit der Krönung des Kaisers Friedrich Wilhelm am 18. Januar 1871 in Versailles.

Die allgemeine nationale Euphorie hat sicher auch die Bevölkerung in Jöhlingen und Wössingen ergriffen. Aus beiden Dörfern sind Dutzende Bürger dem Aufruf zum Militärdienst gefolgt. In den Orten wurden Lebensmittel und Kleidung für die Soldaten gesammelt. Der Gemeinderat Jöhlingen folgte in seiner Sitzung im Oktober 1870 dem Beispiel anderer Gemeinden und beschloss eine finanzielle Unterstützung für die als Soldaten eingezogenen Bürger. Zum Gedenken an die Kriegsteilnehmer wurde an der Jöhlinger Kirche eine Sandsteintafel angebrachte. Im Dezember 1871 haben Gemeinderat und Bürgerausschuss in Wössingen beschlossen, dass die Kosten für den zu Ehren der im Kriege beteiligten oder gefallenen hiesigen Soldaten errichteten Gedenkstein am Rathaus aus der Gemeindekasse getragen werden.

Alltag im Dorf

Die Protokollbücher des Gemeinderates und der Bürgerversammlungen aus der Kaiserzeit sind unspektakulär. Einnahmen und Ausgaben werden aufgeführt, es geht um Bürgerannahmen und Auswanderungen, Verträge der Bediensteten, Unterstützung der Dorfarmen, viele Fragen rund um Land- und Forstwirtschaft. Das dörfliche Leben nahm seinen ganz normalen Gang.

Um eine große Feldmaus-Plage einzudämmen, hat der Gemeinderat in Wössingen 1884 eine „Fangprämie“ von 1 Pfennig pro Maus festgelegt. Selbst die oberen Klassen der Volksschule mussten auf Mäusejagd gehen. Prämien gab es auch für gesammelte Maikäfer.

Nicht sehr beliebt waren die Ortsbereisungen durch das Bezirksamt. Die behördlichen Kontrollbesuche galten Bürgermeister und Verwaltung. Besonderes Augenmerk lag auf den Finanzen, die in beiden Dörfern vielfach kritisch waren. Öffentliche Gebäude wurden inspiziert, z.B. die Schulen. In den Fragestunden konnten Bürger ihre Sorgen loswerden. Mit Kritik wurde in den Protokollen nicht gespart. Bei einer Bereisung Mitte der 1880er Jahre wurde in Jöhlingen festgestellt: „Der Zustand der Gemeindeverwaltung ist in hohem Grade unbefriedigend.“ Jöhlingen stand danach unter besonderer Beobachtung. In Wössingen wurde im Juli 1887 angemahnt, anstelle des bisherigen Feldhüters („ein alter schwacher Greis“) einen jungen Mann anzustellen. Der musste natürlich höheren Lohn erhalten – der Bürgermeister rief danach den finanziellen Notstand aus.

Der Erste Weltkrieg und die Folgen

Das beschauliche Dorfleben endete mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges Anfang August 1914. Die anfängliche Begeisterung und der Glaube an einen raschen deutschen Sieg schwanden mit den Nachrichten von gefallenen Angehörigen aus dem festgefahrenen Frontverlauf. Außerdem fehlten die eingezogenen Soldaten und Pferde in der heimischen Landwirtschaft. Zur Finanzierung des Krieges hat das Reich insgesamt neun Kriegsanleihen aufgelegt. Dabei mussten sich die Gemeinden beteiligten, auch Jöhlingen und Wössingen erhebliche Mittel zur Finanzierung des Krieges aufbringen. Dazu haben die Gemeinden Kredite aufgenommen oder außerordentliche Holzhiebe im Gemeindewald durchgeführt.

Aus Jöhlingen ist die Zahl der Kriegsteilnehmer nicht dokumentiert; aus dem Krieg sind 85 Männer nicht mehr zurückgekehrt, 12 davon galten als vermisst. Wössingen stellte bei knapp 2000 Einwohnern etwa 380 Kriegsteilnehmer; davon sind 72 Männer gefallen, 5 galten als vermisst. Dazu kam eine hohe Zahl von Verwundeten. Die Arbeit in den örtlichen Vereinen kam weitestgehend zum Erliegen. In beiden Dörfern sind durch Kriegshandlungen keine Schäden entstanden.

Das Kriegsende im November 1918 bedeutete auch das Ende des Kaiserreiches: Am 9. November verkündete der Reichskanzler die Abdankung von Kaiser Wilhelm II. Am gleichen Tag folgte die Ausrufung der Republik. Am 05. Januar 1919 wurde in der jungen Republik Baden die Verfassunggebende Landesversammlung gewählt. In der revolutionären Übergangsphase bis zur Weimarer Republik haben sich in Karlsruhe und anderen Städten „Arbeiter- und Soldatenräte“ gebildet. Auch in Wössingen gab es Ende 1918 einen „Arbeiter-, Bauern- und Beamtenrat“, der zwar den Gemeinderat anerkannte, aber ein Mitspracherecht forderte. Bei dem starken Arbeiteranteil ist in Jöhlingen ein solcher Revolutionsrat ebenfalls zu vermuten, ist aber nicht belegt.

Probleme der Nachkriegszeit – Sorgen der Menschen

Eines der größten Probleme der Nachkriegszeit war die große Wohnungsnot in den Gemeinden. In Jöhlingen ist die Einwohnerzahl von 2.316 (im Jahr 1895) auf 2.621 (im Jahr 1925) gestiegen, in Wössingen von 1.722 auf 2.149. Die Gemeinden hatten leere Kassen, sie finanzierten Kauf oder Bau von Arbeiterwohnungen über Kredite oder durch außerordentliche Holzhiebe im Wald. In Wössingen wurde 1918 eine eigene Kommission gegründet, die sich mit Maßnahmen gegen die Wohnungsnot vorgehen sollte. Da deren Ergebnisse nicht ausreichten, musste sich ab Mai 1920 der gesamte Gemeinderat mit dem Thema befassen. Sämtliche Wohnungen sollten aufgenommen und freie Wohnungen beschlagnahmt werden. Es ist anzunehmen, dass die Verhältnisse in Jöhlingen vergleichbar waren – wegen fehlender Protokolle des Gemeinderates lässt sich dies aber nicht belegen. Die Gemeindefinanzen wurden in den unmittelbaren Nachkriegsjahren auch durch die hohe Arbeitslosigkeit und damit verbundene Wohlfahrtsleistungen belastet.

Die Hyperinflation des Jahres 1923 begann schleichend und lässt sich in den Protokollen der Gemeinderäte auch anhand der immer wieder erhöhten Gehälter für Bürgermeister und Rathausmitarbeiter ablesen. Ende des Jahres waren die Banknoten schon nichts mehr wert, wenn sie in Umlauf kamen. Die Einführung der wertbasierten Rentenmark beendete die Inflation, 1924 folgte die Reichsmark.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, Mai 2024

Quelle: Karl-Heinz Glaser in „Ortschronik Walzbachtal“ (2023).

Vom Heiligen Römischen Reich bis zum Deutschen Reich (1500 – 1870)

Die Bundschuh-Verschwörung von 1502

Missernten, Hunger und neue Abgaben sind die Gründe für die „Bundschuh-Verschwörung“ im Hochstift Speyer. Diese wird im Frühjahr 1502 von einem Kreis um Joß Fritz aus Untergrombach organisiert und kann bis zu 7.000 Anhänger mobilisieren. Ein führender Mitverschwörer des legendären Bauernführers ist Bernhard Wendel aus Jöhlingen. Die Pläne des Aufstandes gegen Fürstbischof Ludwig von Helmstatt werden jedoch verraten, der Aufstand wird blutig niedergeschlagen. Joß Fritz und Bernhard Wendel können sich dem grausamen Strafgericht durch Flucht entziehen, sie werden nie gefasst – ihre Spur verliert sich im Dunkel der Geschichte.

Der Bauernkrieg von 1525

Die Bewohner von Jöhlingen und Wössingen spielen bei den Kraichgauer Ereignissen vom Frühjahr 1525 keine führende Rolle. Sie werden in die Aufstandsbewegungen mit hineingezogen und schließen sich durchmarschierenden Bauernhaufen an. Die Aufständischen aus der Markgrafschaft können gemeinsam mit dem „Bruhrainer Haufen“ den bedrängten Obrigkeiten nach einem Feldzug der Zerstörung und Verwüstung zunächst weitreichende Zugeständnisse abringen: die Predigt des Evangeliums nach den Zwölf Artikeln der Memminger Bauernschaft, sowie die Verringerung der Abgabelasten. Für Speyer wird sogar die Beendigung der Herrschaft des Domkapitels vereinbart.

Der Aufstand wird durch ein Heer des Schwäbischen Bundes niedergeschlagen – die getroffenen Vereinbarungen sind damit nichtig. Es folgt eine Zeit grausamer Strafgerichte. Neben anderen Dörfern der Markgrafschaft muss auch Wössingen an den Pfälzer Kurfürst eine Geldstrafe für die Beteiligung am Aufstand zahlen.

Die Niederlage der Kraichgauer Bauern bedeutet jedoch keine vollständige Rückkehr zu alten Verhältnissen. Im Wössinger Dorfbuch von 1535 wird z.B. das Recht zur Nutzung der Allmende (gemeinschaftliches Weideland) abgesichert. Der Markgraf begreift, dass er durch rechtliche Zugeständnisse zur Entschärfung potentieller Konflikte beitragen kann.

Binsheim – Spuren in der Geschichte

Es gibt früh eine kleine Siedlung – sie wird 1274 erstmals urkundlich erwähnt. 1281 werden Besitzungen in Binsheim an das Bistum Speyer übergeben. Wie lange diese Siedlung existiert, ist nicht genau bekannt. Einige Historiker halten eine Zerstörung während des Dreißigjährigen Krieges für wahrscheinlich. Überwiegend wird aber die Meinung vertreten, der Ort wurde in der Folge des Bauernaufstandes von 1502 auf Anordnung des Fürstbischofs zerstört. Übrig bleibt wohl nur die Binsheimer Kirche. Die Gemarkung wird später zwischen Jöhlingen, Weingarten und Untergrombach aufgeteilt.

Auf dem Weg zu zwei christlichen Konfessionen

Nach Beginn der Reformation durch Martin Luther 1517, entwickelt sich der Kraichgau auch konfessionell zu einer zersplitterten Landschaft. Eine Vorreiterrolle für die neue Lehre übernehmen Kraichgauer Ritter, z.B. Bernhard Göler von Ravensburg, der bereits 1518 Zuhörer von Luther in Heidelberg ist. Bei der Besetzung von Pfarrstellen werden vielfach Anhänger Martin Luthers als örtliche Pfarrer eingesetzt.

Jöhlingen bleibt fest in der Hand Speyer, damit katholisch. Das Domkapitel hat bereits 1527 den Verdacht, dass der Pfarrer Sympathie für die „lutherische Ketzerei“ hat und ermahnt 1538 den Ortspfarrer von Jöhlingen, er möge sich zukünftig der lutherischen Lehre enthalten. Jöhlinger, die an Gottesdiensten evangelischer Nachbargemeinden teilnehmen, werden mit Ortverweisung bedroht.

Die kirchlichen Verhältnisse in den Teilgemeinden des badischen Wössingen sind zunächst ein Schwebezustand; sie werden 1556 durch eine Kirchenordnung neu geregelt: Nach dem „Augsburger Religionsfrieden“ von 1555 hat der Landesherr das Recht, die Konfession in seinem Territorium zu bestimmen. Der Markgraf führt die Reformation in seinem Herrschaftsbereich ein, Wössingen wird damit protestantisch.

Kriege im 17. Jahrhundert

Für Jöhlingen und die beiden Wössingen sind die Verluste an Einwohnern im „Dreißigjährigen Krieg“ (1618 – 48) enorm, aber nur schwer zu quantifizieren, weil verlässliche Unterlagen (z.B. Kirchenbücher) nicht mehr vorhanden sind. Überliefert sind einzelne Geschichten, wie z.B. von Mansfelder Truppen, die 1622 bei ihrem Zug durch den Kraichgau den Ort Jöhlingen verwüsten. Mit dem „Westfälischen Frieden“ enden 1648 die Kampfhandlungen; im Ort leben nur noch um die 20 Einwohner. Bevölkerungsverluste bringt auch der „Pfälzische Erbfolgekrieg“ von 1689, als französische Truppen erneut den Ort verwüsten. Nach einer handschriftlichen Notiz in einer alten Wössinger Bibel gibt es um 1692 nur noch 16 Haushalte im Ort.

Der Fürstbischof von Speyer veröffentlicht 1652 einen Aufruf an alle Vertriebenen, in die Heimat zurückzukehren. Neuen Zuwanderern kann er Abgabenfreiheit, kostenloses Bauholz und Siedlungsland anbieten. Ende des 17. Jahrhunderts ist im Kraichgau, auch in Jöhlingen und Wössingen, in der Bevölkerungsentwicklung der absolute Tiefpunkt erreicht - nur noch wenige Geburten und hohe Sterbezahlen. Neben Kriegshandlungen führen Hunger und Seuchen zur hohen Sterblichkeit. In vielen Orten des Kraichgaus können keine Berichte über Seuchenopfer und Krankenstände verfasst werden, weil keine Schreiber mehr vorhanden sind.

Das 18. Jahrhundert: Einwanderung und Wiederaufbau

Zu Beginn des neuen Jahrhunderts kommen in den Kraichgau Zuwanderer aus verschiedenen Regionen Badens und Württembergs, aus der Pfalz, aus Tirol, aus den französischen und italienischen Alpen. Zahlenmäßig am bedeutendsten sind die Neubürger aus der Schweiz. Für Jöhlingen und Wössingen ist die Schweizer Einwanderung gut dokumentiert.

Das Jahrhundert ist auch geprägt durch staatliche Reformen und aufsässige Untertanen im ganzen Reich. Der Markgraf schafft 1767 die Folter ab und löst 1783 die Leibeigenschaft der Bauern auf, der Fürstbischof von Speyer bemüht sich um effiziente Verwaltung im Domkapitel, fördert Schulwesen und Gesundheitsfürsorge. Trotz Reformpolitik kommt es wiederholt zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Jöhlingen und dem Domkapitel Speyer. Auch die napoleonischen Kriege belasten die Orte.

Von Napoleon bis zur Reichsgründung von 1871

Am Beginn des 19. Jahrhunderts steht eine politische Neuordnung: Der „Reichsdeputationshauptschluß“ von 1803 bringt den Rhein als Ostgrenze Frankreichs; Reichsfürsten müssen linksrheinische Gebiete abgeben, erhalten als Entschädigung Gebiete durch die Auflösung kirchlicher Herrschaftsgebiete. Aus der Markgrafschaft wird das Großherzogtum Baden, das Domkapitel Speyer wird aufgelöst, Jöhlingen kommt unter badische Herrschaft.

Die Jahre nach 1800 stehen im Zeichen der militärischen Expansion Frankreichs, das Großherzogtum Baden als Verbündeter Napoleons muss Soldaten für den Krieg stellen. Aus Jöhlingen und Wössingen werden Männer zum Kriegsdienst eingezogen, nur die wenigsten kehren zurück. Beim Rückzug Napoleons und dem Nachrücken der Armeen von Preußen und Österreich 1813 müssen unsere Dörfer Soldaten einquartieren, Geld bezahlen und Verpflichtungen zu Kleider-, Lebensmittel- und Futterlieferungen für Pferde übernehmen.

Im Jahr 1816 werden Oberwössingen und Unterwössingen durch einen hoheitlichen Verwaltungsakt zu einer Gemeinde vereinigt. Die Einwohnerschaft begrüßt diesen Schritt und erhofft sich eine bessere Verwaltung und niedrigere Abgaben.

Zu den Folgen hoher Kriegskosten kommt im Jahr 1830 die vom badischen Landtag beschlossene „Zehntablösung“. Für die Bauernschaft bedeutet dies zwar die Befreiung von alten Feudallasten, gleichzeitig müssen sie für den Adel hohe Entschädigungsleistungen zahlen. Preissteigerungen und Missernten bedeuten dann für viele Kraichgauer Familien Hunger, Armut und Not. Ab den 1840er Jahren steigt im ganzen Land der Ruf nach grundlegenden politischen Veränderungen. Schließlich kommt es im Mai 1849 zur „Badischen Revolution“, die auch in Jöhlingen und Wössingen zum Aufruhr gegen Bürgermeister und Pfarrer führt. In den Folgejahren steigt die Zahl der Einwohner bis 1871 deutlich an: Wössingen 1.537 Personen, Jöhlingen 2.193 Personen.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, Juni 2024

Quelle: Sara Breitung und Dr. Axel Lange in „Ortschronik Walzbachtal“ (2023).

Religion und Kirche

Ursprünge der christlichen Religion

Nach Anerkennung des christlichen Glaubens als Staatsreligion des Römischen Reiches (380 n.Chr.), erfolgt die Ausbreitung nach Norden. Durch die Taufe des Königs Chlodwig (507) kommt das gesamte Frankenreich zum Christentum. Die Verbreitung des Christentums erfolgt durch Wandermönche und Gründung von Klöstern (z.B. Kloster Lorsch um 764, Hirsau um 1050).

Unter Herrschaft der Franken wird in Jöhlingen vermutlich im 8. Jahrhundert die erste Martinskirche mit Friedhof errichtet. Martin war erst römischer Soldat, wird später Bischof von Tours. Er stirbt im Jahr 397 und wird bald im Frankenreich besonders verehrt – daher auch Schutzpatron vieler Kirchen. Die Kirche in Jöhlingen wird in der Folgezeit mehrfach umgebaut und erweitert. Beim Bau der neuen Schule (1966-68) werden Reste der Fundamente freigelegt. Eine Tafel im Schulhof weist heute auf diese alte Kirche hin.

Herrschaft des Domkapitel Speyer

Durch die Schenkung von König Konrad II. im Jahre 1024 kommen Jöhlingen und wesentliche Teile von Unterwössingen zur Herrschaft des Domkapitels Speyer. Konrad II. lässt 1025 den Bau des Speyerer Doms beginnen. Im Jahr 1061 wird der Dom fertig gestellt und eingeweiht.

Um 1120 wird erstmals eine Kirche in Wössingen erwähnt. Im Jahr 1489 gibt es zwei Kirchen: Unterwössinger Kirche (heutige Kirchstraße), Oberwössinger Kirche (heutige Schloßstraße). Die Klöster Odenheim, Lorsch, Hirsau, Frauenalb und Herrenalb erhalten einzelne Besitzungen in Jöhlingen und Wössingen, in der Regel durch Schenkungen.

Einführung und Zeit der Reformation

Nach Beginn der Reformation durch Martin Luther 1517 verläuft die Ausbreitung regional sehr unterschiedlich. Jöhlingen und Unterwössingen sind unter Herrschaft des Domkapitels Speyer und katholisch. Die Markgrafschaft Baden-Durlach kann im Laufe der Zeit die Vorherrschaft in Oberwössingen erreichen, z.B. durch Kauf von Gütern. Der „Augsburger Religionsfrieden“ (1555) gibt den Landesherren das Recht, die Konfession in ihrem Herrschaftsgebiet festzulegen. Darauf entscheidet Markgraf Karl II. durch Erlass einer Kirchenordnung 1556 die Einführung der Reformation in seinem Herrschaftsbereich; damit wird auch Wössingen protestantisch.

Nach dem 30-jährigen Krieg (1618-1648) erhalten Juden das Recht zur Ansiedlung im Kraichgau. Etwa um 1650 erfolgt die Aufnahme von Juden in Jöhlingen. Bis zum Jahr 1802 wächst die Jüdische Gemeinde auf 12 Familien an, Ende des Jahrhunderts zählen etwa 100 Personen zur Gemeinde. Sie unterhält eine eigene Synagoge. Diese Synagoge wird am 09. November 1938 zerstört.

1732 wird die Maria-Hilf-Kapelle in Jöhlingen gebaut. Die neue katholische Pfarrkirche St. Martin wird 1782 begonnen und 1784 eingeweiht. Die alte Martinskirche wird abgebrochen.

Aus der „Täuferbewegung“ der Reformationszeit entstehen die Mennoniten als protestantische Freikirche. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts können sich Mennoniten in der Markgrafschaft niederlassen. Der Markgraf erwirbt das Wössinger Schloß und das angrenzende Schloßgut („Meierei“) und gibt den Einwanderern die Möglichkeit, Pächter des Gutes zu werden. Der älteste Nachweis der Mennonitengemeinde stammt aus dem Jahr 1731. Die Familien der umliegenden Bauernhöfe kommen viele Jahre lang sonntags mit Pferdekutschen nach Wössingen. Die Mennoniten gehören über Jahrhunderte fest zum Erscheinungsbild des Dorfes. Erst im Jahr 2006 löst sich die Gemeinde auf.

Religionen nach Ende der Speyerer Herrschaft

1803 endet die Herrschaft des Domkapitel Speyer. Jöhlingen und Wössingen werden jetzt gemeinsam badisch (Großherzogtum Baden). 1816 werden Ober- und Unterwössingen zu einer Gemeinde vereinigt. Bereits 1817 wird der Grundstein gelegt für die neue evangelische Kirche („Weinbrennerkirche“), die 1822 feierlich eingeweiht wird. In der Folgezeit bleibt Jöhlingen katholisch, Wössingen evangelisch.

Entwicklungen im 20. Jahrhundert

In Jöhlingen gibt es ab Mitte des 19. Jahrhunderts wenige evangelische Christen, die zunächst durch den Pfarrer in Berghausen, ab 1904 durch den Pfarrer in Wössingen betreut werden. Im Jahr 1933 wird für die Gottesdienste der inzwischen fast 100 Christen ein Schulsaal im Rathaus zur Verfügung gestellt. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges steigt durch Flüchtlinge und Heimatvertriebene die Zahl an. Im Juni 1949 wird in der Schänzlebergstraße der Grundstein gelegt für eine eigene Kirche und diese im März 1951 als „Versöhnungskirche“ eingeweiht. Ende 1968 kommt der erste hauptamtliche evangelische Seelsorger in die Gemeinde, für inzwischen über 700 Mitglieder. 1978 wird mit Zustimmung des Oberkirchenrates eine eigenständige Kirchengemeinde eingerichtet. Da die Zahl der Gemeindemitglieder (insbesondere durch Zuzug) weiter ansteigt, wird das Kirchengebäude 2003 erweitert.

Die evangelische Kirchengemeinde Wössingen entwickelt sich nach dem Krieg sehr gut. Kinder-, Jugend- und Familienarbeit haben einen hohen Stellenwert. Kirchenchor und Posaunenchor werden gegründet und gestalten vielfach die Gottesdienste mit. Die Gründung des CVJM, die Nähe zum Krankenpflegeverein und die Trägerschaft des evangelischen Kindergartens sind wichtige Säulen in der Gemeindearbeit. 1968-69 wird die Weinbrennerkirche umfangreich saniert. Im Jahr 2010 kommt mit Martina Tomaides erstmals eine Pfarrerin in den Ort. Im „Strategieprozess der Badischen Landeskirche“ wird im April 2022 in der Weinbrennerkirche die „Evangelische Region Bretten“ gegründet.

Die katholische Kirchengemeinde entwickelt sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges ebenfalls sehr gut. Durch die Aufnahme von Heimatvertriebenen und Flüchtlingen steigt die Zahl der Kirchenmitglieder um mehrere hundert Personen, insbesondere in Wössingen. Um diesen Menschen eine neue geistliche Heimat wieder zu geben, wird in Wössingen eine neue Kirche gebaut, 1956 als „Maria Königin“ geweiht und der Pfarrgemeinde Jöhlingen als Filiale zugeordnet. Die Kirche „St. Martin“ wird umfangreich renoviert, kann 1984 die 200-Jahr-Feier ihrer Einweihung begehen. Ab den 1990er Jahren geht die Zahl der Priester landesweit zurück, auch der Katholiken im Ort. Änderungen in der Organisation der Pfarrgemeinden sind die Folge: ab 2010 gehören Jöhlingen und Wössingen zur Seelsorgeeinheit Bretten-Walzbachtal, zum 31.10.2011 verlässt mit Karlheinz Speckert der letzte verantwortliche Pfarrer die Gemeinde.

Im Jahr 1920 kommen Christen mit neuapostolischem Glauben nach Wössingen, bereits 1924 entsteht daraus eine eigenständige Glaubensgemeinde. Da sich die Glaubensgemeinde vergrößert, kann 1964 in der Friedenstraße ein eigenes Kirchengebäude gebaut werden. Im August 2016 wird die Kirchengemeinde aufgelöst und mit Berghausen zusammengeführt. Das Kirchengebäude wird entwidmet und verkauft.

Die Liebenzeller Gemeinschaft wird 1933 gegründet und breitet sich im süddeutschen Raum aus. Die Anfänge in Wössingen gehen auf das Jahr 1947 zurück, bereits 1948 wird die EC-Jugendarbeit gegründet. Liebenzeller Gemeinschaft und EC arbeiten eng zusammen und gestalten gemeinsam das Gemeindeleben. Die Gottesdienste und Treffen finden zunächst in privaten Räumen statt. 1958 kann am Bachweg ein eigenes Gemeinschaftshaus gebaut werden, das bis heute als Mittelpunkt der Gemeindearbeit dient.

Die „Hahn´sche Gemeinschaft“ ist eine Versammlung zum gemeinsamen persönlichen Studium der Bibel. Mitte des 19. Jahrhunderts entsteht eine solche Gemeinschaft in Wössingen. Die Treffen finden anfangs in privaten Räumen statt. 1901 wird in der Hallenstraße das „Hahn´sche Haus“ erbaut und ist bis heute Versammlungsort.

Die „AB-Glaubensgemeinschaft“ (Augsburger Bekenntnis) wird in Wössingen 1849 gegründet. Ab 1902 trifft man sich in der neu errichteten Kinderschule in der Hallenstraße. 1906 wird in der Hallenstraße ein eigenes Gemeinschaftshaus errichtet. Die AB-Gemeinschaft besteht bis heute.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, Juli 2024

Quelle: Dr. Axel Lange in „Ortschronik Walzbachtal“ (2023) und Heimatverein in „Walzbachtaler Heimatblätter“ (2022)

Die Gemeinde Walzbachtal entsteht als Vernunftehe, nicht als Liebesheirat

Die 1960´er Jahre sind in der Bundesrepublik sehr bewegt, die allgemeine Stimmung ist in allen Bereichen getragen vom Wille nach Umbruch und Aufbruch. Ministerpräsident Filbinger gibt in einer Regierungserklärung am 19.01.1967 im Landtag den Startschuss für eine umfassende Verwaltungsreform in Baden-Württemberg. Am 26.03.1968 beschließt der Landtag Baden-Württemberg das „Gesetz zur Stärkung der Verwaltungskraft kleinerer Gemeinden“: um größere und leistungsfähige Einheiten zu schaffen, werden Zusammenschlüsse von Gemeinden, Eingliederungen, oder die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften gefördert. Das Kommunalwahlgesetz wird geändert, ebenso das Gesetz über den kommunalen Finanzausgleich – damit wird eine finanzielle Förderung bei freiwilligem Zusammenschluss in Aussicht gestellt.

In der Folge werden Sachverständigenkommissionen gebildet, eine breite Diskussion geführt. Die Landesregierung lässt keinen Zweifel aufkommen, dass sie sehr zügig zu Ergebnissen kommen möchte. Die Regierung formuliert Grundsätze ihrer Reformkonzeption:

-     Allgemeine Reformgrundsätze

-     Grundsätze für die Gemeindereform: um die Leistungsfähigkeit zu stärken, müssen größere Verwaltungseinheiten geschaffen werden. Als Mindestgröße im ländlichen Bereich werden 5.000 Einwohner angesehen, als Zielgröße mindestens 8.000 Einwohner. Die Gemeindereform soll „weiterhin in erster Linie auf freiwilliger Basis erfolgen“. Dennoch wird deutlich gemacht, dass später gesetzliche Regelungen folgen werden.

-     Grundsätze für die Kreisreform: Aus 63 nach Struktur und Größe unterschiedlichen Landkreisen sollen größere und leistungsfähige Einheiten werden.

-     Grundsätze für die Funktionalreform: die öffentlichen Aufgaben sind möglichst bürgernah, effektiv und rationell wahrzunehmen.

Um das in der Fläche zu erreichen, werden Erlasse erarbeitet, ein Landesentwicklungsplan aufgestellt, die Regierungspräsidien aufgefordert, direkt oder über die Landratsämter auf die Kommunen einzuwirken. Die Bürgermeister werden in Versammlungen des Gemeindetages informiert und zum Handeln aufgefordert. Schritt für Schritt erreicht der Organisationsprozess die Gemeinden vor Ort. Am 17.09.1968 nimmt die Gemeinde Wössingen gegenüber dem Landratsamt Karlsruhe Stellung zu dem Entwurf des Landesentwicklungsplanes: die vorgesehene Zuordnung zum Mittelbereich Bretten wird abgelehnt – im Gegenzug fordert die Gemeinde die Einstufung als „Selbstversorgergemeinde“.

Im März 1970 verteilt das Landratsamt Karlsruhe einen Erlass über die „Vorläufige Zielplanung des Landes“ und fordert die Gemeinden zur Stellungnahme auf; Inhalt ist die Bildung einer neuen „Verwaltungseinheit Weingarten“, bestehend aus den Gemeinden Weingarten, Jöhlingen und Wössingen. Der Gemeinderat Jöhlingen berät am 12.03.1970: ein Zusammenschluß mit Weingarten wird abgelehnt; die Zielplanung sollte den Ausbau Jöhlingen und Wössingen zu einer Gesamtgemeinde vorsehen. Der Gemeinderat Wössingen berät am 25.03.1970 und lehnt die Zielplanung ebenfalls ab: Wössingen will selbständige Gemeinde bleiben („Selbstversorgergemeinde“).

Am 22.04.1970 treffen sich die Bürgermeister Friedrich Protz (Jöhlingen) und Adolf Schmidt (Wössingen), um ausführlich über die Zielplanung des Innenministeriums zu sprechen; sie erreichen einvernehmlich folgendes Ergebnis:

-     Eine Verbindung Weingarten – Jöhlingen – Wössingen ist nicht zweckmäßig.

-     Die Flächennutzungspläne sollen gemeinsam entwickelt werden, weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit sollen geprüft werden.

-     Nahziel ist die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft zum 01.01.1971, mittelfristig erklärtes Ziel ist ein Zusammenschluss der beiden Gemeinden.

-     Vorrangiges Ziel der Gemeindeentwicklung ist der Neubau eines gemeinsamen Ortszentrums im Gewann „Unten zu Hollstein“, zunächst mit gemeinsamer Hauptschule, später mit Schwimmbad und Sportanlagen.

Noch im April beraten die Gemeinderäte Jöhlingen und Wössingen über dieses Ergebnis und beauftragen ihre Bürgermeister „im vorgetragenen Sinne weiter zu verhandeln“. Am 08.05.1970 sind die Bürgermeister Jöhlingen und Wössingen zur gemeinsamen Besprechung beim RP Nordbaden. Am 29.07.1970 treffen sich die Bürgermeister Jöhlingen, Wössingen und Dürrenbüchig zum Gespräch über den möglichen Zusammenschluß der drei Gemeinden.

In den Diskussionen vor Ort zeichnet sich eine klare Linie ab:

-     Jöhlingen möchte kein Zusammengehen mit Weingarten, obwohl man 1966 mit großer Überzeugung einen gemeinsamen Abwasserverband gegründet hat, der erfolgreich arbeitet.

-     Wössingen möchte nicht dem Mittelzentrum Bretten zugeordnet werden (dahinter steht auch die Sorge, dass der Landkreis Karlsruhe aufgelöst und Bretten dem Kreis Pforzheim zugeordnet wird).

-     Dürrenbüchig hat zwar geschichtlich enge Bindungen zu Wössingen, möchte aber aus strukturellen Gründen eine Zuordnung nach Bretten.

Ein entscheidendes Datum ist der 05.11.1970: Landrat Groß kommt mit führenden Mitarbeitern ins Rathaus Wössingen zum gemeinsamen Gespräch mit Bürgermeistern und Gemeinderäten von Jöhlingen und Wössingen. Der Landrat wirbt für einen freiwilligen Zusammenschluss zu einem frühen Zeitpunkt, der vom Staat „mit goldenen Kugeln honoriert werde“. Für Jöhlingen und Wössingen würde dies in den nächsten 10 Jahre Mehrzuweisungen aus dem Finanzausgleich des Landes in Höhe von 3,8 Mio. DM bedeuten. Am Ende der sehr intensiven Gesprächsrunde wird auf Vorschlag von Landrat Groß beschlossen, eine gemeinsame Kommission einzurichten. Das Protokoll dieses Gespräches wird in den Mitteilungsblättern beider Gemeinden am 12.11.1970 veröffentlicht.

Ab 09.11.1970 treffen sich die Mitglieder der gemeinsamen Kommission wöchentlich. Dabei wird eine umfangreiche Themenliste bearbeitet: Künftige Ziele der Gemeinde, Name der neuen Gemeinde, Verwaltungsgliederung, Vergleich der Haushaltspläne, Stand der abgewickelten und geplanten Baumaßnahmen mit Kostenbewertung, Bewertung des Vermögens beider Gemeinden, Wahlverfahren für Gemeinderat („Unechte Teilortswahl“), Inhalt der Fusionsvereinbarung, Vorbereitung von Bürgerversammlungen und Vorbereitung der notwendigen Bürgeranhörung. Am 23.11.1970 teilt die Gemeinde Dürrenbüchig in einem Brief mit, dass der Gemeinderat eine Zuordnung zum Mittelbereich Bretten beschlossen hat. Am 26.11.1970 schreiben die Bürgermeister Jöhlingen und Wössingen gemeinsam an das Innenministerium Baden-Württemberg und bitten um Zustimmung zur Namensgebung „Walzbachtal“ für die neu entstehende Gemeinde.

Am 11.12.1970 finden zeitgleich Bürgerversammlungen in der Jahnhalle Jöhlingen und im Bürgersaal des Rathauses Wössingen statt; am 18.12. gibt es eine weitere Bürgerversammlung in Wössingen. Die Bürgermeister stellen jeweils den aktuellen Sachstand dar und werben intensiv für eine Fusion im Interesse der Zukunft der Gemeinden. Die Versammlungen sind sehr gut besucht, die Diskussionen sehr rege. Teilnehmer haben eine Vielzahl von sachlichen und emotional skeptischen Fragen. Parallel dazu ist in diesen Tagen eine „Aktionsgemeinschaft Wössinger Bürger“ sehr aktiv, u.a. mit Flugblättern, und fordert: kein schneller Zusammenschluss, sondern Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft.

Der entscheidende Tag wird der Sonntag, 20.12.1970: die gesetzlich vorgeschriebene und mit großer Spannung erwartete Bürgeranhörung in Jöhlingen und Wössingen.

-     Jöhlingen: Wahlbeteiligung 52,5 % - Zustimmung 70,0 %

-     Wössingen: Wahlbeteiligung 71,4 % - Zustimmung 42,5 %

-     Jöhlingen / Wössingen gesamt: Zustimmung 57,5 %.

Noch am selben Abend müssen die Gemeinderäte entscheiden. Der Gemeinderat Jöhlingen folgt dem Votum seiner Bürger und stimmt einmütig für Walzbachtal. Der Gemeinderat Wössingen steht vor einer schweren Entscheidung. Das Gremium entscheidet bei offener Abstimmung mit 9 : 4 für Walzbachtal. Damit ist die Entscheidung gefallen, beide Bürgermeister können die Fusionsvereinbarung unterschreiben. Bereits mit Datum vom 22.12.1970 erfolgt die Genehmigung des Regierungspräsidiums. Damit wird die neue Gemeinde Walzbachtal zum 01.01.1971 gebildet. Sie ist die erste Gemeinde im damaligen Landkreis Karlsruhe, und eine der ersten in Nordbaden, die auf diese Weise entsteht. Dass die Entscheidungsfindung in fast atemberaubenden Tempo Ende des Jahres 1970 voran ging, wird von Befürwortern und Gegnern der Fusion gleichermaßen kritisiert. Motivation für die Verantwortlichen war, durch eine schnelle eigene Entscheidung erhebliche finanzielle Förderung zu erhalten und einer späteren zwangsweisen Zuordnung per Gesetz zu entgehen.

Am 07.01.1971 erscheint das erste Mitteilungsblatt der Gemeinde Walzbachtal; die Genehmigungsverfügung des RP wird veröffentlicht. Am 12.01.1971 tagt erstmals der Gemeinderat Walzbachtal. Er besteht zunächst aus den bisherigen jeweils 12 Gemeinderäten von Jöhlingen und Wössingen. Eine umfangreiche Tagesordnung muss bearbeitet werden. Bürgermeister a.D. Adolf Schmidt wird zum „Amtsverweser“ bis zur Neuwahl eines Bürgermeisters bestellt, der Termin für die Neuwahl des Bürgermeisters wird auf 14.03.1971 festgelegt.

Im März 1973 erscheint die neue Zielplanung des Landes Baden-Württemberg („3.Runde“): Jetzt ist klar, Walzbachtal bleibt zukünftig selbständig. Das Land Baden-Württemberg beschließt die Gemeindereform mit einer eindrucksvollen Bilanz: die Anzahl selbständiger Städte / Gemeinden hat sich von 3.379 (01.01.1968) auf 1.107 (01.01.1975) reduziert.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, September 2024

 

Infrastruktur und „Adern der Moderne“

Dorfentwicklung

Mit dem Bevölkerungswachstum in der Neuzeit dehnt sich die Bebauung der Orte immer weiter aus. Jöhlingen und Wössingen ziehen sich entlang dem Walzbach und ihren Hauptdurchgangsstraßen in die Länge. Bis ins 19. Jahrhundert haben beide die klassische Form von „Straßendörfern“ ausgebildet. Dabei gibt es in beiden die Unterscheidung in „Oberdorf“ und „Unterdorf“; in einem Gemarkungsplan von 1885 ist in Jöhlingen auch von einem „Mitteldorf“ die Rede. Die Einteilung in Unter- und Oberdorf hält sich im örtlichen Sprachgebrauch bis nach dem Zweiten Weltkrieg.

Die mit Häusern und Scheunen überbaute Fläche ist vor dem 20. Jahrhundert recht gering in ihrer Ausdehnung. Die Bebauung ist verhältnismäßig dicht, die zum Leben verfügbare Nutzfläche pro Person in den Häusern sehr begrenzt. Diese Enge prägt auch das soziale Miteinander in den Dörfern.

Jede Gemarkung muss die auf ihr lebende Bevölkerung selbst versorgen, der ausreichende Unterhalt hängt ganz entscheidend ab vom Ackerland und seinem für alle genügenden Ertrag. Nach 1700 kommt es zu einem lang anhaltenden und starken Anstieg der Bevölkerung. Nehmen wir das Beispiel Jöhlingen: 1732 leben 938 Einwohner im Dorf, um 1850 bereits um 2.600 Personen. Die Gemarkungsflächen genügen kaum mehr als Existenzgrundlage für alle Einwohner – als Lösung aus der Situation kommt es zu  Ab- und Auswanderungen.

Der Walzbach als „Lebensader“

Der Walzbach und seine zufließenden Wassergräben haben neben dem Boden eine zentrale Bedeutung für das Leben im Dorf, insbesondere zur Bewässerung von Gärten und Feldern. Als Lieferanten von Tierfutter sind die Wiesen ein wichtiges Standbein. Während sich das Jöhlinger Grünland weitgehend direkt entlang des Walbachs oberhalb und unterhalb des Dorfes erstreckt, sind es in Wössingen deutlich mehr und weiter verstreut liegende Flächen (z.B. das Schifftal und die Waldwiesen Richtung Stein, dazu große Flächen auch hier entlang des Bachs rings um den Ort herum, vom Gewann Brühl bis unterhalb der Mühle gegen Jöhlingen hin). Soweit machbar, werden die Wiesen zweimal im Jahr durch das Aufstauen des Walzbachs bewässert.

Wichtig ist das Wasser für den Betrieb von Mühlen, zum Beispiel im Bereich heutige Durlacher Allee, die „Untere Mühle“ im Bereich heutige Jöhlinger Straße / B 293, oder die „Wiesenmühle“. Im Winter wird das Wasser an manchen Stellen gestaut, dass es gefriert, dann das Eis gebrochen und im „Eiskeller“ eingelagert (zum Beispiel heute Gondelsheimer Straße) wo es dann in der warmen Jahreszeit zum Betrieb der örtlichen Brauereien abgeholt wird.

Bis zum Bau der Ortskanalisation werden die Abwässer aus den Häusern (Kochen, Waschen, Baden) über Rinnen entlang der Straßen in den Walzbach eingeleitet. Weiterhin sehr unheilvoll sind die vielfachen und teils heftigen Überschwemmungen nach schweren Gewittern und starken Regen, welche die Hauptstraßen und Wohnungen im Erdgeschoß unter Wasser setzen. Besonders dramatisch sind hierbei der 31. Mai 1889, der 19. April 1906, der 8. Juni 1929, der 7. Mai 1931 und der 27. Mai 1947 mit verheerenden Schäden, Hagelschlag und Überschwemmungen.

Der Wald als unverzichtbare Ressource

Neben Äckern, Wiesen und Weinbergen bilden die Wälder einen unverzichtbaren Bestandteil der bäuerlichen Kulturlandschaft. Vor zwei großen Rodungsschüben von 500 bis 800 und von 1100 bis 1300 prägen dichte Wälder das Kraichgauer Hügelland. Bei der immer stärkeren Erschließung und Besiedelung der Region werden viele bewaldete Flächen zur Schaffung von Ackerland abgeholzt und die Baumbestände bis an die Gemarkungsränder zurückgedrängt. Der Wald dient dabei verschiedenen Funktionen, z.B. Nahrung für Tiere, Bauholz, Brennholz. Während auf Wössinger Gemarkung eine weitgehend geschlossenen Waldfläche südöstlich des Dorfes Richtung Stein verbleibt, sind die großen Gemeinde- und Staatswälder von Jöhlingen auf verschiedenen Flächen südwestlich und nordöstlich des Dorfes verteilt. Teilweise entstehen im 18. und 19. Jahrhundert durch systematische, staatlich gesteuerter Waldwirtschaft wieder größere Waldbestände.

Heute umfasst das Waldgebiet in Walzbachtal etwa 1.100 ha, davon 850 ha im Eigentum der Gemeinde, etwa 250 ha im Eigentum des Landes Baden-Württemberg (Staatswald im Hohberg und im Schloberg). Der Wald ist nicht nur Wirtschaftswald, sondern in hohem Maße wichtig für Naherholung, Luftqualität und Wasserhaushalt.

Die Eisenbahn als erste „Ader der Moderne“

Das Jahr 1879 markiert für Jöhlingen und Wössingen einen tiefen Einschnitt in die Entwicklung mit der Inbetriebnahme der Kraichgaubahn. Anfangs berühren die neuen Schienenwege den Kraichgau nur an seinen Rändern: im Westen ab 1843 die badische Rheintalbahn von Heidelberg nach Karlsruhe, im Osten ab1848 die Strecke zwischen Stuttgart und Heilbronn, von 1853 an die württembergische Westbahn von Bietigheim über Bretten nach Bruchsal. Das Innere der Region bleibt zunächst außer Acht. 1869 kommt es zu einer Eingabe von 16 Kommunen (darunter Wössingen) an die badische Regierung. 1872/73 beschließen die Länder Württemberg und Baden, unterstützt durch die Stadt Karlsruhe, den Bau dieser rund 65 Kilometer langen Kraichgaubahn von Karlsruhe über Bretten und Eppingen nach Heilbronn. Entgegen der ersten Planung führt die Trasse durch Jöhlingen und Wössingen und bildet für beide Dörfer den Anschluss „an die große Welt“. Dabei gestaltet sich das Bahnprojekt gerade auf unserer Gemarkung als besonders aufwendig: Dammbauten, Durchstiche durch die Bergvorsprünge Bettelhäusle und Pfaffenberg, der knapp 230 Meter lange Jöhlinger Tunnel mit seinen markanten Portalen, eine Unterführung der Landstraße von Karlsruhe nach Heilbronn. Beide Gemeinden erhalten ein Stationsgebäude, Güterschuppen, Verladerampen, Brückenwaagen und große Flächen zum Verkehr mit Fuhrwerken. Die neue Eisenbahn bringt mit dem Personen- und Güterverkehr einen gewaltigen Aufschwung in der Entwicklung der Dörfer und der Region. 

Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebt die Bahn einen massiven Rückgang im Güter- und Personenverkehr, in den 1980er Jahren wird von der Bundesbahn sogar erwogen, diese Strecke stillzulegen. Erst die visionären Pläne von Dieter Ludwig in Karlsruhe, der durch hohen persönlichen Einsatz Verantwortliche der Bundesbahn überzeugen kann, führen zur Entwicklung neuer Fahrzeugtypen und letztlich 1992 zur Eröffnung der Stadtbahn Karlsruhe – Bretten.

Die Elektrizität zieht in die Dörfer

Als das badische Murgkraftwerk Ende 1918 den Betrieb aufnimmt, erhält das Walzbachtal im Zuge der Erschließung des mittel- und nordbadischen Raumes Anschluss an das Stromnetz. 1920 / 21 werden die Leitungen installiert und liefern Elektrizität in den Privathaushalten, den landwirtschaftlichen Betrieben und das Licht auf den Straßen. Schwierig gestaltet sich die Finanzierung in dieser Zeit der beginnenden Geldentwertung. Trotz hoher finanzieller Leistungen für die Gemeinden, beschließen Gemeinderäte und Bürgerausschüsse, auch die Hausanschlüsse vom Ortsnetz bis zur Panzersicherung auf öffentliche Kosten ausführen zu lassen. Mit der Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaus in Karlsruhe – aus der später das Badenwerk und dann die heutige EnBW hervorgehen sollte - wird ein Vertrag geschlossen: Darin übertagen Jöhlingen und Wössingen – wie die meisten badischen Kommunen – den Bau, Betrieb und Unterhalt ihrer Ortsnetzte an den staatlichen Stromproduzenten. Fortan ist die dauerhafte Versorgung der Dörfer mit Elektrizität gesichert.

Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung 

Der Aufbau einer zentralen Wasserversorgung beginnt in Jöhlingen ab 1897, in Wössingen ab 1927. Nach Bau von zentralen Brunnen, ersten Hochbehältern und einem Leitungsnetz können bis dahin bestehende Brunnen zugeschüttet werden.

Zur geordneten Abwasserbeseitigung dauert es noch viele Jahrzehnte. Der Bau einer Ortskanalisation beginnt in Wössingen ab 1960, in Jöhlingen ab 1965. Im Jahre 1966 wird mit der Gemeinde Weingarten gemeinsam ein Abwasserzweckverband gegründet, in dessen Folge 1974 / 75 die zentrale Kläranlage in Weingarten gebaut.

Heimat- und Kulturverein Walzbachtal, Oktober 2024

Quellen: 

Thomas Adam in „Ortschronik Walzbachtal“ (2023)